Wertheim setzt auf individuellen Objektschutz
WERTHEIM, zu Teilen an Main und Tauber gelegen, rund 24.000 Einwohner: Um sich vor Hochwasser zu schützen, setzt die Stadt Wertheim auf individuelle Maßnahmen an den Gebäuden – insbesondere in der Altstadt. Thomas Hemmerich, Thomas Dworschak und Achim Hörner sind Kenner des Wertheimer Objektschutzprogrammes und berichten im Interview, worum es beim Programm geht.
Thomas Hemmerich ist Architekt bei der Stadtentwicklungsgesellschaft ‚STEG‘. Er beleuchtet die Situation Wertheims von der technischen Seite und hat bereits viele Modernisierungen, Sanierungen und Neubauten in Bezug auf den Hochwasserschutz realisiert.
Thomas Dworschak bearbeitet bei der Stadtverwaltung im Referat Bauordnung Bauanträge. Achim Hörner leitet das Referat Tiefbau. Er ist von Anfang an in das ‚Wertheimer Objektschutzprogramm‘ involviert und bearbeitet Förderanträge, die den Hochwasserschutz in Eigeninitiative – privat und gewerblich – betreffen.
Objektschutz statt Versicherung
Achim Hörner: „Die Versicherungen haben nach dem Hochwasser reihenweise Verträge gekündigt. Die Hauseigentümer hatten Probleme, ihre Gebäude zu versichern.“
© Stadt Wertheim Hochwasser 2011, überflutete historische Altstadt
Die Stadt hat das Wertheimer Objektschutzprogramm nach dem Hochwasser im Jahr 2003 initiiert, zunächst über einen begrenzten Zeitraum hinweg. „Die Versicherungen hatten sich immer mehr aus dem Geschäft zurückgezogen und für einige Anwohner wurde es zu teuer, ihre Gebäude versichern zu lassen. Die Stimmen wurden lauter, dass wir als Stadt eingreifen müssen“, erinnert sich Achim Hörner. „Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger schließlich auch in der besonders stark betroffenen Altstadt halten – und ihnen helfen.“
Seither wurden und werden Objektschutzmaßnahmen im Rahmen dieses Förderprogrammes unterstützt. Das bedeutet: Die Bürgerinnen und Bürger erhalten von der Stadt direkte Hilfe. Informationen rund um das Thema Hochwasser und zum Förderprogramm veröffentlicht die Stadt Wertheim auf ihrer Webseite.
2011 überflutete Wertheim ein weiteres Hochwasser. Es folgten Gespräche zwischen Stadt und Land, deren Ergebnis war, das Programm zu verlängern. Die Fördermodalitäten wurden geändert. Der Eigentümer übernimmt 25 Prozent der Kosten, Stadt und Land die anderen 75 Prozent. Die Kosten werden also von drei Parteien getragen, der Eigentümer entlastet.
Nachhaltiger Hochwasserschutz
Thomas Dworschak: „Wir wollen nicht einfach ersetzen, was kaputt geht, sondern die Situation langfristig verbessern.“
Die Herausforderung ist, den Standort Altstadt trotz des Hochwasserrisikos attraktiv zu halten. Es werden nachhaltige Lösungen gesucht. Ihr Ziel: Ein Gebäude ist entweder vor Hochwasser geschützt oder der Schaden fällt beim nächsten Hochwasser geringer aus. Über das Thema Hochwasserangepasstes Planen und Bauen informiert die Stadt auf ihrer Internetseite.
© Jürgen Gerhardt, xxdesignpartner.de Befestigungsschienen für Hochwasserschutz und eine Hochwassermarke in der Wertheimer Altstadt
Thomas Dworschak: „Es gibt Fotos von einem Hochwasser vor knapp 30 Jahren, ca. 1993/1994. Darauf treiben aufschwimmende Heizöltanks. Es wurde versucht, nach und nach die Tanks aus der Altstadt zu verbannen. Und es hat sich mit der Zeit eingespielt, dass man hier in der Altstadt Gasversorgung hat. Mittlerweile sind viele Heizungen in das Erdgeschoss, Obergeschoss oder sogar ins Dachgeschoss verlegt worden.“
Grundlagen für den individuellen Objektschutz schaffen
Thomas Hemmerich: „Es gibt keine Standardlösung, kein Schema F.“
Zu Beginn des Wertheimer Objektschutzprogrammes hat das Ingenieurbüro Winkler und Partner GmbH (IWP) die Gebäude vermessen. Es wurde aufgenommen, wo neuralgische Punkte liegen, welche Bausubstanz vorhanden ist und was am Gebäude selbst umsetzbar ist. „Jeder Eigentümer hat damals eine Empfehlung für seinen individuellen Objektschutz erhalten“, sagt Achim Hörner. Zusätzlich organisierte die Stadt eine Veranstaltung, bei der sie die gesammelten Ergebnisse vorstellte.
Thomas Hemmerich betont: „Da jedes Gebäude seine Eigenarten hat, muss auch jedes Gebäude individuell behandelt werden. Je nachdem, wie hoch das Gelände ist oder wie ein Gewölbekeller oder Innenbereich angelegt ist.“ Manche Keller müssten einfach geflutet werden, sonst könnte es sein, dass das gesamte Gebäude durch den Druck des Wassers einstürzt.
© Jürgen Gerhardt, xxdesignpartner.de Anschluss für einen Feuerwehrschlauch zum Auspumpen eines Kellers
Mehr Lösungen zum Objektschutz Außerdem können Keller, die nicht mehr benötigt werden, verfüllt werden. Im Hochwasserschutz spielen die verwendeten Materialien eine große Rolle. Sowohl bei der Sanierung als auch beim Neubau. Da die Bauherren in Wertheim das Material frei wählen können, ist es schwierig, Vorgaben für Baustoffe zu machen. „An dieser Stelle sind die Architekten und wir für die Hilfestellung gefragt: Es braucht Erdgeschosseinheiten in Stahlbeton und Materialien, die ein Hochwasser überstehen, wie zum Beispiel mineralische Putze, ohne dass sich die halben Wände auflösen“, erklärt Hemmerich.
Meistens helfen die einfachen, unspektakulären Dinge: Die Haustechnik wird ins Dachgeschoss verlegt. Das Erdgeschoss nutzt man für Garagen oder Gewerbeflächen. Wohnungen befinden sich in den oberen Geschossen. Steckdosen können so installiert werden, dass es – wenn tatsächlich ein Meter Wasser im Erdgeschoss steht – zu keinem Kurzschluss kommt. „Ganz einfache Dinge eben“, sagt Thomas Hemmerich.
© Jürgen Gerhardt, xxdesignpartner.de Beispiel für eine Maßnahme: Das Erdgeschoss dient als Garage.
© Jürgen Gerhardt, xxdesignpartner.de Höher gelegte Steckdosen und U-Profil zur Montage eines mobilen Hochwasserschutzes im Innenraum